Translate

Donnerstag, 7. Januar 2016

Abschied




Liebe Freunde, Bekannte, Zufällig-Lesende,

tja, wie anfangen, was sagen? Dies ist mein letzter post. Wenn ihr es lest, habe ich endlich den Mut gefunden, meinem irdischen Horror ein selbstbestimmtes Ende zu bereiten. Ich habe eine Freundin gebeten, dies für mich nach meinem Ableben zu veröffentlichen - hoffe, es funktioniert & fällt nicht in irgendeine Anti-Suizid-Zensurschachtel. Darum betone ich ausdrücklich, dass dies keinerlei Freitodverherrlichung o.ä. ist, lediglich eine Mitteilung an die Menschen, die mich kannten.

Als erstes, das ist mir wichtig: Ich lebe im Grunde allein, es wird keine traurige Feier, kein Treffen o.ä. geben - die Menschen, die einen Platz in meinem Herzen haben, leben irgendwo verstreut. Vielleicht gibt es ein paar Berliner, die noch gemeinsame Erinnerungen an mich haben. Wie auch immer: Ich wünsche mir sehr, dass Ihr seht & akzeptiert, dass ich weder unbedacht oder voreilig gehandelt habe, noch mich irgendetwas / irgendjemand hätte retten können! Alles, was möglich ist, um ein menschwürdiges Leben zu finden, habe ich versucht, alles! Darum - wenn Ihr an mich denkt, tut es in Freude, dass ich es geschafft habe, mich von unmenschlichen Qualen zu erlösen.
Denn: innerlich gestorben bin ich wohl spätestens irgendwann zwischen 1979 & ´82 an dem Antidepressivum „Elronon“ (Noxiptilin). & dieses Sterben erlebe ich seither Tag für Tag neu.
Ich behaupte: Die hochdosierte Vergabe von AD & Neuroleptika kommt einer potentiell MÖGLICHEN Hinrichtung gleich, im (vllt.) schlimmsten Fall verursacht sie ein langsames Krepieren über Jahrzehnte. Es bedeutet das faktische Einkalkulieren einer Todesstrafe zur Einhaltung von „Normalität“ & Funktionalität gemäss dem gerade aktuellen oder diktierten gesellschaftlichen Konsens.

Ich habe grosse Angst vor dem Tod, denn so einfach stirbt es sich leider nicht. Nach dem ersten affektiven, theoretisch todsicheren, trotzdem gescheiterten Versuch 1997 habe ich mir eingeredet, jederzeit gehen zu können, so ich es nicht mehr aushalte. Doch nach Eintritt dieses Zustandes & einem weiteren Scheitern hat es noch einmal sechs Jahre gebraucht, den Schritt zu gehen. Jahre puren Grauens, vieler Linderungsversuche, tausender kleiner Hoffnungen, Nicht-wahr-haben-wollens. Denn die Wahrheit ist: seit der Abspaltung meiner Seele bin ich unbewusst-naiv durchs Leben gerannt, die verlorene Persönlichkeit wiederzufinden.


Warum schreibe ich hier überhaupt? Ein „Vermächtnis“, eine Warnung? Mglw. letzteres, doch mir ist auch klar: Meine Stimme hat in dieser Welt das Gewicht einer Spatzenfeder...
In einem banalen Satz ausgedrückt wäre meine Message: „Passt auf, was man Euch einredet, was Ihr mit Euch macht & machen lasst“.
...Nicht sofort vergessen werden? Vielleicht, sogar am wahrscheinlichsten. Aufmerksamkeitsdrang & etwas Eitelkeit waren mir immer eigen.
Am ehesten aber ist es wohl das „Rausschreiben“ von Verzweiflung & Unverständnis - über das Schicksal, über die Tatsache, diesem gnadenlos & bei klarem Verstand ausgeliefert zu sein - in einem Umfeld, in dem ein angenehmes Leben recht einfach möglich wäre. Wäre, wenn nicht... Die Schweiz ist ein wunderschönes Land, das trotz Einschränkungen viele einfache, sinnvolle Entfaltungsmöglichkeiten böte. Böte, wenn nicht... da „etwas“ wäre, das foltern kann, ohne sicht- & lokalisierbar zu sein...
Es ist ein tiefgehendes nicht-Verstehen, dass „wir“ dank unserer Intelligenz in der Lage sind, phantastische, hilfreiche Dinge zu (er)finden, die wir jedoch ebenso auf grauenvollste Weise einsetzen. Dinge, die wir nicht im Griff haben oder nicht wirklich begreifen - & die einmal losgelassen, nicht mehr rückgängig zu machen sind. Neben dem immer subtileren Spiel mit dem Krieg halte ich Kernspaltung & bestimmte Psychopharmaka für die schlimmsten Errungenschaften der sogenannt modernen Zeit. Die enorme Komplexität des Gehirns ist noch weitgehend ein Rätsel & derart INDIVIDUELL, dass niemand die Auswirkungen psychotropher Chemie auf einen Organismus sicher vorhersagen kann. Bis heute, 50, 70 Jahre nach ihrer Erfindung, ist die genaue Wirkungsweise der Substanzen nicht bekannt, die Verabreichung erfolgt ausschliesslich aufgrund von Beobachtungen & daraus abgeleiteten Annahmen (einzig schädliche Folgen sind teilweise nachweisbar). Dass wir die Möglichkeit gefunden haben, den Geist / die Seele nicht nur temporär zu fesseln, sondern unwiderruflich in ein unsichtbares chemisches Verlies zu mauern, ist schlichter Wahnsinn. Denn DAS ist die eigentliche Wirkung der Medikamente.


Mglw. wird sich die genetische Manipulation irgendwann in diese Liste einreihen... Man kann nur spekulieren, ob dieses Spiel langfristig verheerende Auswirkungen auf alle Organismen haben wird. Man kann nur spekulieren, welche Erfindungen danach kommen. Robotisieren wir step by step die ganze Welt, alles Leben? Degenerieren wir es auf eine Weise, die seit ?? Leid & noch mehr Leid erzeugt, löschen es gar irgendwann aus?
Darum ist es wohl auch irgendwie eine Anklage. An jene, die niemals Skrupel kennen, über alles Wissen & Unwissen hinweg, Stoffe / Energien an Lebewesen auszuprobieren / einzusetzen, von denen niemand genau weiss, welchen Schaden sie anrichten. An jene, die im Namen von Fortschritt & Glaube den Wert des einzelnen Lebens ignorieren & für Macht, Ruhm, Geld, Kontrolle alles tun.
Oder stop - ahnen, geschweige denn begreifen wir gar nicht, was wir tun & all das Zerstörerische ist eine uralte verzweifelte, unbewusste Frage an´s Universum? Gibt es diese Schuld gar nicht, jede Anklage sinnlos? Ist alles nur ein ungreifbarer evolutionärer Zufall? Oder gab / gibt es doch so etwas wie eine Vorherbestimmung, einen kosmischen Sinn? Sind wir Teil von etwas Grösserem, in der irdischen Hülle zum Leid verdammt? Der Schmerz & der Versuch, ihn zu verstehen & beenden zieht sich durch unsere gesamte präsente Geschichte - unsere Religion & viele spirituelle Theorien erklären das Leiden gar zum Hauptzweck des Lebens. Nur - ab einem bestimmten Punkt ist im „Schmerz als Lernprozess“ kein Lernen mehr möglich. Hier endet alle (mir zugängliche) Logik & jeder Glaubensansatz.
Haben wir aus unbekannten Gründen vor Urzeiten kollektiv unseren Sinn vergessen & verfolgen seither unbewusst die Idee „des Schlechten im Menschen an sich“ als Erklärung? Wir rechtfertigen jedwede Grausamkeit damit, dass wir überzeugt auf der Seite des Guten & Richtigen stehen - & finden das Schlechte, den Feind im Gegenüber. Im Andersdenkenden, im Schwachen, im anderen Volk, Glaube, Geschlecht. & am Schlimmsten wohl - im unmündigen Kind.
Menschenversuche sind unter dieser Rechtfertigung keine Ausnahme, sie sind die Regel. M. E. sind sie ein völlig legalisierter, kaum hinterfragter Bestandteil v.a. unserer „modernen“ Pharma- & Nahrungsindustrie - mit den absurden Zielen der Profitmaximierung & immer globaleren Kontrolle über alles & Jeden. Dem uralten System von Macht & Unterwerfung folgend, welches uns fast alle - von Familienstrukturen bis hin zu Staaten & Konzernen beherrscht.
Aber weshalb? Wann & wozu hat die Entfremdung von den natürlichen Abläufen auf der Erde & menschliches Leid als Normalzustand begonnen? Viele würden Letzteres verneinen, doch im Vergleich zu wenigen verbliebenen Naturvölkern scheinen wir Menschen der zivilisierten Welt allesamt tief im Innern nicht sehr glücklich. & im Vergleich zur Tier- & Pflanzenwelt, die in komplexen Strukturen perfekt zusammenwirkt, jedes seinen richtigen Platz hat, sind wir die einzige Spezies, welche ihren natürlichen Platz offenbar irgendwann eingebüsst hat & in immerwährendem Kampf, immerwährender Suche lebt. Die einzige Spezies, die absurde Dinge wie kranke Gehirne, den Wahnsinn, endlosen Krieg & Folter oder ein Dasein in chronischem Unglücklichsein kennt.
Einer der Gründe (neben unerfüllter Sehnsucht) dafür, dass mir das Loslassen extrem schwer fällt, ist der Umstand, dass ich auf all dies keinerlei Antwort bekomme - obgleich ich alle Fragen stellen kann. Ich weiss weder, woher ich komme, was ein Dasein in täglichen Qualen, deren Ursprung verborgen bleibt, bezwecken soll - noch, ob etwas / was nach dem Tode kommt. Es erscheint mir absurd & sinnlos. Die Vorstellung des Totalverlöschens des ICHs bei gleichzeitigem Nicht-Wissen / -Fühlen, wozu mein ICH-Bewusstsein je existiert hat, ist extrem erschreckend. Jenseits aller sogenannten Logik, dem Wissen, dass alles irdische vergeht. Warum kann ich essentielle Fragen denken, wenn es keine inneren Antworten gibt...?

Bin ich psychisch krank, paranoid? Im Kern - sicher. In der Folge des Erlebten sehe ich die Welt mit desillusionierten (& gleichzeitig ungläubigen) Augen. Wobei man fragen kann, was psychisch krank überhaupt kennzeichnet. Gibt es gesund & normal in einem ursprünglichen Sinn (noch) ?
Doch ich war nie „klassisch“ lebensmüde - im Gegenteil, ich träume von Leben & Erfahren. Die Verzweiflung ist u.A. davon geprägt, dass mir das Wunder der Existenz & die Schlussfolgerung, es jeden Tag neu im Hier & Jetzt zu be-wundern, intensivst bewusst ist - gleichzeitig etwas Grauenvolles meinen Körper (& in Folge die Psyche) in ein dauergefoltertes Wrack verwandelt hat, das sich selbst mit starken Opiaten nur gerade so erträgt. Dies ist kein LEBEN, welches ich als solches bezeichnen kann - & widerspricht allem, was mein Geist an Erkenntnis gewonnen hat. Wie kann ein wacher, lebendiger Verstand machtlos in einem siechenden Haus des Horrors vegetieren? WAS SOLL DAS ?
Bis zu meinem 10., 11. Lebensjahr hatte ich grosse Bilder vom Erwachsensein, durchaus übliche... Bühnen, Züge, Autos, Wissen, unterwegs sein, die Welt sehen - aller schon erfahrenen Brutalität, Erniedrigung, Kälte & Isolation seitens der Erzeuger zum Trotz. Ja, emotional geschädigt war ich schon zu jener Zeit, „verhaltensauffällig“, ein Bettnässer.
Doch haben „sie“ es nicht geschafft, (das) mICH, meinen Willen, meine Phantasie, meine Freude zu brechen - die Sehnsucht war stärker. Sehnsucht nach Liebevollem, nach unbekannten Verrücktheiten des Daseins, nach Umarmung in jeder Form. Angst hat sich auf das reale, unmittelbar Bedrohliche beschränkt, welches irgendwann vorbei sein würde. Aushalten, bis ich frei bin - eine kindlich-realistische Vorstellung... Bei allem Schmerz habe ich tief in mir nie an einer befreienden Zukunft gezweifelt, die Freiheit in mir gespürt. Aushalten konnte ich gut, das weiss ich heute. So gut, dass ich trotz aller elterlich-sadistischen Strafszenarien bei Dingen, die mich fasziniert haben, Freude & Talente aus dem Kopf geschüttelt habe... „inselbegabt“ nennt man es heute - in Sprache, Musik, Literatur u.ä.. Mit sechs ein ständig singender Musikjunkie - meine Traumzukunft mit acht war Popstar & Radio-DJ.
Dann kamen die Tabletten. & ich bin in der Nähe des Todes. Kleine, gelbe, süsse Pillen, die mich „normal“ machen sollten. So, wie sich die Stasi-Familie, in der ich aufwachsen musste & die DDR-Pädagogik „Normalität“ vorstellten. Sprich unerfüllbar-ambivalente Erwartungen: hündischer Gehorsam ohne jedes Hinterfragen vs. Forderung nach „männlicher Härte“ & eigenständigem, intelligentem Denken.
& mit den Tabletten kam der Fuhrpark des Grauens. 20 min. vom Schlucken bis zur Bewusstlosigkeit. Schlafzwang, Hangover, Apathie, nächtliches Erwachen unter Todesangst – DAS erreicht keine „harte Droge“. & nicht zufällig die nun innerlich legitimierte völlige Entmenschlichung durch die Erzeuger.
Dabei ist die Chemie in ein schon übersensibilisiertes & evtl. vorgeschädigtes Hirn gedrungen (Verdacht auf pränatale Stammhirnschädigung). Man hat trotz der Vermutung verordnet. & damit (wissentlich?) unberechenbare Zerstörungsprozesse in Gang gesetzt.
Das für´s naive Kind Unvorhergesehene: mein Erleben unter den Trizyklika war nur der Anfang. Was mich später nach der Absetzung schleichend heimsucht, entzieht sich jeder emotionalen (Be)greifbarkeit: kalter Entzug, Zahnausfall, Erschöpfung, permanente, niemals vollständig verebbende Kopfschmerzen, nie endende Folter im Bauch - ein Gefühl inneren Verbrennens, Todespanik, sensorische Hypersensibilität, motorische Schocks, ein zeitlupenartiges Sterbeempfinden - fortschreitend über Dekaden. Dies alles bei (wieder) wachem Geist & vollem Bewusstsein. Jahrzehnte des Ertragens & erfolglosen, unwissenden Suchens.
& von Anbeginn an das Gefühl bis dato unbekannter, eigenartiger „Mauern“ im Kopf. Zwischen den Augen, im Nacken, der Blick auf die Welt durch eine gepanzerte Glasscheibe - lange ein Mysterium. Heute weiss ich, dass die Pharmaka IRREVERSIBLE Blockaden vegetativer & gefühlsleitender Nervenwege, zerstörte bzw. mutierte Transmitter-Rezeptoren & Übersensibilitäten verursachen können. V.a. die Blockade zwischen den Augen, ergo irgendwo zwischen den Hirnhälften erinnert fatal an die Folgen der Lobotomie. MUSS eine langsame Zerstörung Mensch-seins-wichtiger neuronaler Prozesse nicht Todesangst auslösen? Wenn Psychochemie lähmt, JEDES Gefühl ausser Angst vernichtet, ist das Resultat mglw. eine Art „unvollständiger“ Lobotomie?
MUSS ein Organismus nicht an Substanzen, deren anticholinerge (= Nerven-blockierende) Grundwirkung jener von chemischen Kampfstoffen gleicht, bei langer Einnahme Folter empfinden & kaputtgehen?
Das Ergebnis zumindest lautet: Ich kenne nur zwei Zustände - Angst / Folter / Schmerz im Wachzustand & Albträume / Schmerz im Schlaf. Latent bis akut, doch stets spürbar.
Das alles mag ziemlich verrückt klingen - & ist es auch. Wir gehen i.A. davon aus: Wenn etwas unerträglich weh tut, hört es irgendwann auf - oder man stirbt daran. Dass es etwas dazwischen - unaufhörliche, nicht-tödliche, nicht-linderbare Qual ohne aktiv spürbares Geschehen gibt, übersteigt die uns gegebene Vorstellungskraft. Doch die Tatsache, dass ich vor der Psychiatrisierung weder somatische Beschwerden noch jenes innere Verlies kannte, belegt mir, dass es sich nicht um die „Einbildung eines Irren“ handelt. Auch dass das wirksamste Schmerzmittel gar hyperparadoxen Höllen(Kopf)schmerz auslösen kann (dies schafft grösste Verzweiflung), bestätigt wohl meine Zerstörungsbehauptung...Die Waffe arbeitet im eigenen Körper. Das Gefängnis gab es schon zuvor, doch nie in DIESER - ausbruchssicheren - Form.
Ich SEHE die Schönheit um mich, gleichzeitig bin ich seit ca. 35 Jahren in einem gläsernen Käfig gefangen & kann sie nicht FÜHLEN. Das Kind konnte sie fühlen, ebenso wie Wut, Trauer, echte Sehnsucht. Unwiderruflich abgetötet. Ein Tier im Käfig dreht durch, ein zeitlos eingesperrter Mensch verliert sich in nicht zu stoppenden, marternden Gedankenkreisläufen, in denen auch der Todesgedanke keinen Ruhepol zulässt, da der Käfig selbst Teil langsamen Sterbens ist. Tier & Mensch gemein ist instinktive Verängstigung.

Ich weiss vieles, rational. & muss ich mich fragen: Kann man sich auf den Tod vorbereiten, die Angst davor verlieren? Es gibt offenbar Menschen mit starker Todessehnsucht, die in dem Gedanken Ruhe & Erlösung finden & so innerlich befreit ein geleertes Leben beenden. Mir ist es nicht gegeben - die Angst, welche mich jahrzehntelang vor gefühlter Todesnähe beschützen sollte, stellt sich in den Weg & treibt mich nah an den Wahn. Beide Suizidversuche haben keinen friedlichen Zustand im Augenblick des „jetzt“ erzeugt sondern in grösster Verzweiflung & Panik stattgefunden. Trotz Alkohol als wirksamsten Angstkiller, trotz maximaler Unerträglichkeit. Ich sehne mich nicht nach dem Tod, ich sehne mich nach ewigem Einschlafzustand - doch finde kein Gleichnis in beiden Vorstellungen. Einschlafen ist ein ab & an schöner Zustand angenehmer, normaler Gedanken, Melodien & Bilder - gewaltsames Sterben ist Panik. Es verheisst keine befreienden Träume. & gläubig bin ich nicht.
Darum werde ich wohl die ursprünglich angestrebte Sterbehilfe nicht in Anspruch nehmen können: wochenlanges Warten im inneren Todestrakt auf dIe „Selbsthinrichtung“ ist (für mich) eine Art Gewalt – ich kann die seltenen Momente der Bereitschaft nicht vorhersagen. Ein erster Termin 2013 ist völlig gescheitert.
Ich kann mich nur bei jenen entschuldigen, die mich evtl. in einer unschönen „Auffindesituation“ vorgefunden haben. Es ist im Grunde völlig inakzeptabel, doch ein sanftes letales Gift, das keine sichtbaren, schockierenden Spuren hinterlässt, ist Dank der Verhinderungspolitik, nicht legal zu beschaffen.
Die Umstände haben zudem einen faden Beigeschmack angesichts der Tatsache, dass ich in einem spirituell orientierten Umfeld der Selbstfindung lebe - voll mit semi-religiösen Wahrheiten. Ein urteilsfreies Gespräch über meine Sorgen & Ängste so gut wie unmöglich, zu 99% höre ich Sätze wie „Alles ist heilbar, Du musst sich nur „jetzt“ dafür entscheiden.“ Von Menschen, die sicher ihre Probleme haben, doch weit davon entfernt sind, sich vorstellen zu können, wovon ich spreche. I.A. vermögen Menschen nur das zu akzeptieren, was sie eigens erlebt oder gesehen haben, selbst wenn sie in Glaubenskonstrukten leben, die rationale Vorstellungen sprengen. Mir leuchtet dieses Unverständnis ein – wir wehren uns gg. grausig-Unvorstellbares, doch macht es meine soziale Situation paradox.
Vielleicht auch stimmen jene Behauptungen - doch wer NICHTS Sicheres fühlt, will um jeden Preis rationale Antworten, um die Angst zu zähmen. & die gibt es nicht.


Was bleibt nebenher...(?) Enttäuschung, dass nicht einmal mein Abschied so verläuft, wie ich es mir ausgemalt habe. Symptomatisch für mein Leben - es kommt immer anders. Ähnlich dem „Vorbild“ anderer Suizidenten gab es vor einiger Zeit noch das innere Bild, einige schöne Orte & Dinge zu sehen / erleben, noch ein ausuferndes musikalisches Abschiedswerk zu schaffen. Mein grösstes Talent - meine Stimme - noch einmal intensiv zur Geltung zu bringen - mit den Resten der Geltungssucht noch etwas Schönes zu hinterlassen. Etwas, das so gut ist, dass es mglw. postmortale Aufmerksamkeit erregt. ;-)
Keine Kraft mehr. Bei anderen, tödlichen Diagnosen ist man vllt. noch eine Zeitlang fit, bis der Verfall einsetzt - & dann geht alles relativ schnell. Ich war schon mitten im Verfall, schon zwei Jahre auf Morphin, als mir klar wurde, dass es nicht mehr aufzuhalten, der Punkt des Aushaltens lange überschritten ist. Vergleiche sind Schwachsinn - ich weiss - nur halten Gefühle sich nicht an rationales Denken - & Suizid ist nun mal kein naturgegebener Vorgang sondern wohl zumeist verzweifelte Flucht vor Unbegreiflichem.
Einst habe ich mir ausgemalt, friedlich im Arm eines vertrauten, verstehenden Menschen einzuschlafen, auch dies hat sich anders entwickelt. Einerseits bin ich froh, niemanden in Unglück & Trauer zurückzulassen, andererseits ist die Vorstellung eines einsamen Abschieds ohne Liebe...schmerzhaft.
Ich werde niemals die Øresundbrücke & die Schären sehen, niemals die Tower Bridge, Cornwall & die Highlands, Paris, das Zentralmassiv & Loiretal, nicht einmal mehr Graubünden in der Rhätischen Bahn & das Luzerner Verkehrsmuseum. Nie mehr durch mannshohe, duftende Brandenburger Kornfelder spazieren. & seien wir mal ehrlich - wer hat nie davon geträumt, mal mit ´nem Luxuscamper oder V8-Riesenschlitten Nordamerika zu durchkreuzen...? & ich bin traurig, nie mehr mit Freunden & „XY“ nächtens durch Berliner Kneipen & Sexclubs ziehen zu können.
& nie mehr auf einer Bühne stehen & SINGEN. Doch vor allem: Ich werde nie sagen „Der Tag unserer Hochzeit war der schönste meines Lebens“, nie einem kleinen Mädchen an der Hand die Welt erklären, die Schönheit des Mondes oder des Schnees auf Bergtannen zeigen. & nie geliebten Eltern die Stirn küssen & sagen können „Danke, dass es Euch gab“.
Das alltägliche Erwachen mit diesem Wissen & dem Griff zum Morphin treibt mir oft Tränen in die Augen.

EDIT: ich habe viel über´s Sterben gelesen - & mich oft gefragt, warum mir das Gehen so schwer fällt - oder was mich noch zu diesem seitenlangen Pathos treibt. Nun - kürzlich habe ein Porträt über den Freitod von Kurt Cobain gesehen - dort wurde ein Satz aus sehr jungen Jahren zitiert, der mir hängengeblieben ist: „Ich will ein Rockstar werden, in den Flammen des Ruhms aufgehen & mir dann das Leben nehmen.“ Der Vergleich stimmt nur partiell, VOR der chemischen Zerstörung wollte ich nur forever Star sein & habe keineswegs an den Tod gedacht. Doch spätestens ab 1990, mit etwa 20 - den ersten Extrem-Horrorattacken & häufigen Schmerzen - gab es immer wieder solche Gedankenläufe (obgleich ich seinerzeit neben Lust auch Angst vor Bühnen hatte - maximale Ambivalenz dank Elronon.) Versucht habe ich es irgendwann trotzdem. Das Fiese: ich habe es nie geschafft. Abgesehen von ein wenig lokaler Aufmerksamkeit bin ich nicht einmal in die Nähe des EINZIGEN Erfolgsziels des narzisstischen Kindes gerückt. DAS, was mir am wichtigsten war & mich evtl. noch über X Jahre am Leben erhalten hat...
& ja, obwohl ich weiss, dass Ruhm & Erfolge im Endeffekt keinerlei Rolle spielen (ausser, dass selbst der prominente Tod für öffentliche Liebesbezeugungen sorgt), habe ich mich wohl nie ganz davon lösen können.
Sprich - ich muss mir eingestehen, nicht anders gewesen zu sein als irgendein ruhmsüchtiger Workaholic, egal welcher Couleur. Nur dass man mir zu früh die Grundlage dazu geraubt hat. Doch selbst das Abstand-nehmen - man kann ja lernen, Ziele zurückzustecken oder neu zu bewerten, Einschränkungen akzeptieren - hat mir nicht mehr geholfen. Mein Weggang aus Berlin - ein naiver unwissender Versuch, in Naturnähe Heilung zu finden. Etwas neues beginnen. Fehlschlag. & heute? Selbst das Morphium kann nur minimal lindern, doch tut es nebenbei, was alle Opiate tun. Auszehren, Ermüden u.v.m.. Ein normaler Alltag - nicht möglich.
Ich hätte vielleicht in vielem Erfüllung gefunden, die Voraussetzungen waren einstmals existent. In Musik, Worten, Reisen, Wissen, Freunden nah sein. Oder gar etwas völlig anderem.
Mein Geist hat seine kindliche Lebendigkeit nie eingebüsst, sei es die Faszination für Technik, Architektur, Kunst, die Natur, whatever - oder hunderte Melodien, Geschichten, Zeichnungen in meinem Kopf.


Ich bin mir im Klaren darüber, absolut kein Einzelschicksal potentiell tödlichen "Fortschritts" oder Glaubens zu sein. ...J.C. am Kreuz, Inquisition, Einheit 731, Little Boy, KZs, Tschernobyl &&&... Eindeutig menschgemachte Qual macht´s vielleicht schwerer, es irgendwie gelassen hinzunehmen. Wahrscheinlich gab es das Phänomen schon immer, Schusswaffen existierten vor der Narkose, jede neue Krankheit vor einem Heilmittel. Vielleicht kann man in 100 Jahren neurotoxisch verursachte Hirnschäden & Verstrahlungen „reparieren“ - & dafür warten neue tödliche Erfindungen auf Gegenmittel. Welch Paradies könnte die Welt sein, wären wir von Grund auf friedlich - & würden dementsprechend mit unserem Potential umgehen, das wahre Wunder zu erschaffen vermag.
Wir wissen nicht, wie das Bedürfnis nach Macht, Taktik, Gier & Kontrolle derart von uns Besitz ergriffen hat, wie wir es erleben, es wird sich wohl auch nicht plötzlich ändern. Doch welch ein Widerspruch wohnt der Tatsache inne, dass unser von religiösen Ansichten regierter Staat in hunderte Länder Tötungsmaschinen verkauft & in zig Kriege verstrickt ist - gleichzeitig seinen Untertanen das Recht auf selbstgewähltes, würdevolles Sterben verwehrt? Ersteres führt alle Argumente angeblichen Lebensschutzes per se ad absurdum. Dies kann nicht „Gottes Barmherzigkeit“ sein - es ist, im Gegenteil, ein weiterer Fakt menschlicher Grausamkeit & Entrechtung.
Darum gilt mein unbedingtes Plädoyer der Zulassung von Sterbehilfe, die chronisch kranken, leidenden Menschen, welche ihr Leben als nicht mehr erträglich empfinden, eine friedvolle Erlösung ermöglicht. Meine Ansicht bezieht sich ausdrücklich (oder gerade) auch auf psychische Krankheiten - wer will von oben herab ermessen, wie vernichtend unaufhörliche seelische Qual sein kann? Wer hat das Recht, über die Erträglichkeit unheilbaren nicht-(sichtbar)-somatischen Elends anderer zu urteilen?
Dies kann kein Arzt, Richter, Politiker oder Pfarrer sondern einzig Betroffene selbst - egal, wie „eigenartig“ sie dem Umfeld erscheinen mögen. Werkzeuge wie „Unzurechnungsfähigkeit“, willkürliche Diagnosen (u.a. Suizidalität als immer-gültiges, entmündigendes Symptom) u.ä. zeugen m.E. einzig von Nicht-Eingeständnis unserer Unwissenheit & fehlendem Respekt jenen Menschen ggü..
Es existieren kaum mehr als Ahnungen, Interpretationen & Fragment-Wissen über die möglichen Zusammenhänge. Der Mensch in seiner Komplexität ist ein Supercomputer - & niemand weiss, welche aktuell noch völlig unbekannten Auslöser es tief im Innern des Systems geben mag.
„Uns“ endloses Vegetieren zu befehlen, da Krankheiten maximale Umsätze erwirtschaften, ist in meinen Augen ein perverses Maximum von Gier. Ein Arzt oder Sterbehelfer muss die Möglichkeit haben, nach eigenem Gewissen - abseits finanzieller Erwägungen & frei von Angst vor Schikanen - Betroffene als Akt letzter Gnade zu unterstützen. Doch wir wissen, das Gegenteil ist der Fall - schon heute wagen es viele Mediziner nicht, Todgeweihte mit ausreichend Schmerzmitteln zu versorgen, damit keinerlei Sterbehilfe-Verdacht aufkommen kann. Kaum auszudenken, was jene Patienten im Fall eines Totalverbots jeglicher Beihilfe erwartet.
Müsste nicht das (unbedingt nötige) Verbot, sich am Sterben zu bereichern, ebenso auch bei erzwungener Leidensverlängerung gegen den Willen eines Menschen gelten?
Doch grundsätzlich verschwiegen wird seitens der Verbieter, dass jeder Bürger statistisch im letzten Lebensjahr den zehnfachen Umsatz „erwirtschaftet“ (inkl. gesund sterbender). Beglichen vom Steuervolk, zugunsten weniger Konzerne & (zumeist kirchlicher) Institutionen. Ein böser Schelm, der da sagenhaften Gewinn am verordneten Siechen Schwerkranker vermutet ??
Die mittelalterliche Sichtweise in Verbindung mit marktwirtschaftlicher Krankenindustrie, welche uns zur Ausführung heimlicher, unmenschlicher, riskanter Methoden á la Hochhaus-, Schienensuizid u.ä. zwingt, bestraft zudem wahllos jede Person im Umfeld - Angehörige, die keinen gemeinsamen Abschiedsweg gehen können oder Zufallsbeteiligte wie Lokführer, Polizisten, Auffindende. Menschen, die oft lebenslang Narben davontragen.
Das für mich speziell schlimmste ist der Umstand, dass ich nicht sanft mittels letalen Schlafmitteln aus dem Leben gehen kann – zu exakt DEM Zeitpunkt, an dem ich innerlich bereit bin. Keinen Moment früher, keinen später.

Ohne Glaube bleibt mir nur ein klitzekleiner Schnipsel Hoffnung. Darauf, dass es doch einen Sinn, einen schönen Ort nach dem Tod gibt. Hoffnung die sich auf nichts real erfassbares gründet. Einzig auf das Nicht-Begreifen. Auf nichts als die Erkenntnis, dass unser irdisches Erkennen sehr begrenzt sein muss. Wir so wenig über die Beschaffenheit von Raum & Zeit, den Kosmos wissen, dass im Kehrschluss alles Unvorstellbare möglich ist. Dass es evtl. Daseinsformen & Energien gibt, die über unser Wahrnehmungsvermögen weit hinaus gehen. Vielleicht ist das unendlich erscheinende Universum nur ein Fussel im Ganzen & wir sehen irgendwo das Ganze. Vielleicht sind wir auch wirklich nur das sprichwörtliche Staubkorn ohne jede Relevanz & werden es nie erfahren.


Wie auch immer, ich habe viele Menschen gemocht, einige sehr geliebt, vielleicht lest Ihr mein Geschreibsel & wisst, dass Ihr gemeint seid. Ich danke Euch zutiefst für die Zeit, die Ihr mich auf die eine oder andere Art begleitet habt - Haut an Haut, in Proberäumen & Lokalitäten, bei trunkenem Labergelächter oder tiefen Gesprächen &&&... ;-)
Abseits davon wünsche ich jedem ein schönes, langes, v.A. aber gesundes Leben. Ein Leben ohne sinnlose Kämpfe & voller Liebe.
& für meine Eltern: Mit 12 habt Ihr mich für tot, nicht länger existent erklärt. Euer Wunsch ist nun erfüllt, es gibt mich nicht mehr.

Andreas Derball, 2015

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Wer weiss schon...

Vor zwei oder drei Jahren spontan entstanden, ursprünglich als Spoken-words-Songtext gedacht...


Es haucht zwischen die Zeit
& es flüstert zwischen die Welt:
Der Mensch ist des Menschen ärgster Feind - doch was heisst das schon?
Hiroshima, Psychiatrie?
Ein Staat & Sicherheit, Ketten aus Chemie?
Kindliche Soldaten im Schurkenland?
Ein Heim, ein Reich, ein Todestrakt?


Tarnlackiert schillernde Propheten ziehen von Kreuz zu Kreuz, von verbrannter Erde zum Namen des Guten - an jedem Finger ein neuroleptisches Gebet. Finden im Schatz des Brandes den Leib der Feindesfrau, schänden die Mutter, die uns gebar.
Vielleicht bist du dabei - beim nächsten Sprung in ein explodierendes Rettungsschiff?
"Nein! Wir implodieren" ruft der Geistliche dem Bänker zu - hinweg über den Tisch der transaktionären Dreifaltigkeit. & so schiebt der Wortebäcker die Kinder der Welt in den Ofen der Geschichte.
Was hat das zu bedeuten, frage ich mich - was fasele ich da für Zeug? & antworte mir - weiss nicht, wer weiss das schon, wer weiss schon irgendwas? Hocke in dem Sumpf der Milliarden & frage mich nur - wer weiss schon irgendwas?
Doch suchen wir nicht alle nur nach Geborgenheit & Frieden & wissen´s nur nicht? Verrückt oder zweifelnd oder krawattiert oder radikal desozial oder ängstlich theatralisch brav? & sagen letztlich - Nein, wir haben nichts davon gewusst.
Wo sind sie, die da vor uns waren, hätten wissen sollen & doch schon erblindet schienen? Gefesselt in der Kiste der Geschichte, die schon unlesbare Geschichte war... Der Kern des Menschen ist spaltbar. Alle Regung vernichtbar. Psychotroph kaputtbar.
Füll mir aus den Fragebogen, das Rascheln der Generationen, der galaktischen Blätter aus Raum & Zeit! Doch das Drehen an den Zeigern ist verboten, wir haben´s uns verboten.
Ist verbieten nicht verboten?
Gibt es Wahrheit - endgültig, unveränderbar? Die tausenden, die ihr verkauft, versinken vereint vor mir in selbigem Sand. Wohin soll ich beten, bitten, schreien?
Würd´ gern sagen: Lasst die Kinder atmen. Lasst die Frauen schweben. Lasst die Männer tanzen. Im Licht einer Unendlichkeit, ungreifbarer Unendlichkeit. & bin doch erstarrt, bin verstummt.

Auf der Welt soll leben.
Zwischen der Welt bleibt ein Traum von unendlichem Schlaf.
Von unendlichem Tod.
Der das Leben wiederbringt.

& sagt nie, ich wäre ein Poet, denn ich habe nur vergessen, rechtzeitig zu vergessen, wie man Fragen stellt - & Antworten glaubt.

Was bleibt am Ende? Wer weiss das schon...?







Freitag, 11. Dezember 2015

Freitod & Sterbehilfe(verbot)


Ein PS zum letzten Post, auch - oder gerade - im Hinblick auf das soeben verabschiedete grausame Sterbehilfegesetz:

Vorab - ich lebe als Deutscher in der CH & habe hier "grünes Licht", darum betrifft mich v.A. die gruselige Vorstellung, unter gleichen Voraussetzungen in DE leben zu müssen.
Ja, es mag suizidale Menschen geben, die affektiv handeln - welche jedoch nur seltenst aufzuhalten sein werden. Es gibt Menschen, die ihr Leben acht- & sinnlos riskieren, auch die wird niemand zurückhalten (& sie werden oft gar als Helden gefeiert). Doch glaubt "Ihr", die Ihr gern über den Wesenszustand anderer urteilt, ein kranker oder krank gemachter Mensch wirft mal eben nebenbei sein Leben weg? Denn jene betrifft es - gesund & glücklich wird niemand diese Gedanken haben oder gar in die Tat umsetzen wollen.
Ich behauptvermute das beinahe Gegenteil - oder glaube es zumindest (der einzige Glaube, den ich habe). Ja, ich glaube, wer dem Tod nahe kommt, wer sich - warumauchimmer - länger & intensiv mit dem Sterben auseinandersetzen muss, wird zumeist seinen Blickwinkel auf das Leben verändern. Zwangsläufig daüber nachdenken, woher wir kommen, was unser Sein & begrenzter Verstand bezweckt. Sehr häufig tieferen Respekt vor dem Leben & seiner möglichen / wahrscheinlichen Einmaligkeit entwickeln. Es mglw. umso schwerer "einfach aufgeben" können. & umso schwerer verstehen, warum es unter den Mäntelchen von "Lebensschutz" & angeblicher Würde nur seinen Geldwert wert ist.
Weshalb sollte gerade ein kranker Mensch voreilig & unbedacht sein Leben beenden - in einem Moment / Zustand, da wohl jedem alle irdische Endlichkeit bewusst wird - inkl. des Fakts, dass unser Verstand sie nicht (be)greifen kann? Nun, mich macht es einfach nur traurig & verzweifelt zu sehen, was selbst ein einfaches Leben in körperlich erträglicher Verfassung alles böte - hunderte Arten, mit Tönen zu experimentieren, einmal einen Urwald oder die Weiten Amerikas sehen - & nicht zuletzt die ungeheure Faszination von Wissen. Mttlw. wäre ich einfach nur damit zufrieden, nicht täglich mit Angst und-oder Schmerz zu erwachen - nie wissend, ob es sich folternd potenziert - & ein eingeschränktes Dasein im engen Radius von Büchern & Computer führen zu können.
Gerade durch die Erfahrung des Schmerzes würde ich es niemals leichtfertig aufgeben - ja zugegeben beneide ich jeden, der mit ähnlichem Hintergrund so etwas wie schlichte Menschlichkeit entdeckt & damit einen lebbaren Alltag meistert. 
Mir ist klar, dass ich, was diese Gedanken / Empfindungen angeht, letztlich nur für mich sprechen kann. Doch was den Zwang anbelangt, im Zustand schlimmster Qualen weitervegetieren zu müssen - ganz gleich, ob primär physisch oder psychisch verursacht, kann ich nicht mehr an die angebliche Güte derer glauben, die über unser Schicksal herrschen wollen (neben der banalen Tatsache des Menschenrechts auf Selbstbestimmung).

Ich behaupte gar, mit der aus beinah totaler Entmündigung resultierenden Angst vor einem schmerzhaften, langwierigen Ende wird uns nicht selten das Letzte an Würde & Liebe zu lebenswerten Augenblicken genommen. Die kalte Anmassung dahinter, die Entrechtung Alter & Schwacher ist erschreckend - sind viele von uns unbewusst solche Bestien ohne jedes Mitgefühl, selbst im Angesicht massiven (fremden) Leids?
Doch warum eigentlich verwundert sein? Ich bin sicher keine Ausnahme mit der Erinnerung an Kinder, die schon im frühen Grundschulalter systematisch Schwächere aufspüren & sich an ausgeteilten Tritten aufwerten konnten (sowie an ähnlich geartete oder "blinde" Pädagogen). Warum sollten sie als Erwachsene anders geworden sein? Die Sucht nach & die Befriedigung durch Macht kann schliesslich fast jeden einholen - wer nach grosser & absoluter Macht strebt, hat das Prinzip vermutlich schon früh gelernt. & was gibt mehr Macht als jene über Leben & Tod - sei es direkt oder im Versteck eines Glaubens, monetärer Ambitionen u.ä…(?)
Unsere Gesellschaftsformen laden wohl seit sehr langer Zeit dazu ein, persönliches Empfinden gar nicht erst aufkommen zu lassen & sich hinter Dogmen, Ideologien & Strukturen zu verschanzen. Welche es (vermutlich) liebenden Familienmenschen erlauben, das scheinbare Wohl des Systems, der Partei, Firma, whatever über Schicksale Einzelner zu stellen & potenzielle Grausamkeiten zu unterschreiben. & natürlich sich abzugrenzen vom Unschönen, Unansehnlichen, letztlich vom eigenen Sterbeszenario in all seinen mglw. schrecklichen Varianten. 
Anders ist das faktische Sterbehilfeverbot nicht zu verstehen - nicht unter dem Aspekt, dass halbwegs aufgeklärte Menschen im 21. Jh. wissen müssten, dass aus der immer effizienteren künstlichen Lebensverlängerung auch ungeheure Leidensverlängerung werden kann. Dass es Krankheiten gibt, deren Qual die beste Palliativmedizin der Welt nicht lindern kann - ALS, COPD, Opiat-Resistenz, Locked-In-Syndrom &&&…

Mit etwas "Glück" letzter Zughalt auf freier Strecke, mit Pech...

Kann man ob persönlicher Macht derart von sich überzeugt sein, durch "göttliche Fügung" o.ä. selbst per se verschont zu bleiben? & sich (bzgl. der Ohnmacht ggü. o.g. Krankheiten) nicht nur neben sondern quasi über den Willen eines angeblich legitimierenden Gottes stellen?
Oder ist es am Ende gar noch schlimmer & wir haben es bei lebenslang Machtbesessenen mit unbewusstem Masochismus zu tun, der im "Spiel mit dem Tod" seine Erfüllung findet - auch mit dem eigenen? Der nebenbei Unzählige in den Strudel selbstdestruktiven Wahns zieht? Klingt verrückt - aber ist es auszuschliessen? Die Psychopathologie von Diktatoren (aller Art) zeigt recht eindeutig in solche Richtungen - wie nah oder entfernt hiervon vglw. "normale" Poliker, Geistliche, Geldmenschen, Ärzte, Pädagogen etc. sind, ist freilich nicht pauschalisierbar & Spekulation.

Nicht spekulativ hingegen ist, dass eine kleine Minderheit sogenannter Parlamentarier 80 Mio. Menschen entmündigt & ihnen gegen ihren Willen einen potenziell grausamen Sterbeprozess aufgezwungen hat. Der Tod mag - aus der Ferne - ob seiner ultimativen Mystik auf viele sogar eine geheimnisvolle Faszination ausüben. & es gibt zweifelsohne Menschen, die ehrlichen Herzens andere davor beschützen wollen. Doch glaubt mir - ihm tatsächlich in die Augen zu blicken, ist alles andere als faszinierend...
Ich wünsche meinem ärgsten Feind nicht… doch zugegeben wünsche ich sich-selbst-überhöhenden Bestimmern, für nur wenige Tage zu spüren, was es bedeutet, wenn selbst Opiate nicht oder konträr wirken. Es keine Alternative mehr gibt. & alle Lebens-Leidenschaft in einem schmerzhaften Nichts versinkt. Ich weine jeden Tag. Lautlos. & ganz bestimmt nicht, weil ich mal eben mein Leben wegschmeissen möchte.





Mittwoch, 25. November 2015

Freitod vs. Strafe (?)


Natürlich mache ich mir - geradezu zwanghaft - häufig Gedanken über einen universellen Zweck meines & allen Daseins. Eine Welt voller Wunder & Schönheit, die ob unserer Unwissenheit nur Staunen zuliesse - & Krieg in allen Facetten, Folter, Hunger, körperliche & emotionale Vergewaltigung, psychochemische Zerstörung &&& - alles Teil unserer Normalitäten. Unserer Normen.
Folgen, an denen mancher wächst, anderer langsam & unaufhaltsam zerbricht. Der Wunsch, Schmerzhaftes zu bereinigen. Der Wunsch, einen Sinn darin zu erkennen. Die Suche nach Erklärungen - & mannigfaltige "Wahrheiten". Viele davon mit dem Anspruch alleiniger Gültigkeit...
Was mir dabei entgegen flattert, finde ich z.T. schlicht erschreckend. Vermutlich kann man all das nur via Ideologien passiv legitimieren, solang man es nicht selbst erfahren hat...(?). Mir fehlt ob des Erlebten & Erlebens zugegeben jegliche Distanz, andernfalls würde auch ich mir evtl. ähnlich geartete Gesetzmässigkeiten bauen:

Zitat aus einer Diskussion: "Ich denke eher dass es sowas wie Wiedergeburt gibt aber nicht wie die Religionen es darstellen. Die Natur denkt ja nicht. Sie ist pure Reaktion und wie ein ewiger Kreislauf von sich immer wieder aufladender Energien.
Ich denke wenn ein Mensch schwach ist und sich aus welchem Grund auch immer sich aufgibt, dann ist diese Seele blockiert und kann nicht reifen, sie hat quasi ihre Aufgabe nicht gemacht und wird wieder geboren und muss die gleiche Prüfung wiederholen oder sogar schlimmeres erleben. Oder sie steckt fest und kann nach dem Erdenleben nicht weiter weil ihre Aufgabe nicht erfüllt wurde und sie muss das Leid dass sie während des Lebens erfahren hat und nicht gelöst hat, ewig ertragen."

Ja, ich kenne auch diese Thesen - & generell über Glaube zu urteilen, steht mir nicht zu. Irgendwie verstehe ich es, denn dieses & ähnliche Bilder ergeben subjektiv eine Erklärung, einen Sinn. Kaum etwas ist wohl schlimmer, als das Leben mehr oder minder als ständiges Leid zu erfahren & als zusätzliche "Gemeinheit" nicht mal Sinn & Antwort darin zu finden.
Ich persönlich kann es so nicht teilen, denn stell "Dir" vor: ein Mensch wird schon als Kind derart gequält, dass sein ganzes Leben eine permanente, unerträgliche Folter bleibt - ganz gleich, wie sehr er dagegen kämpft oder/und damit zu leben versucht. Ja, ich weiss - das "Nachfühlen" funktioniert nicht - mein Arzt hat mir nach x Jahren gesagt, er könne die Suizidalität akzeptieren, doch wird er sich das Beschriebene niemals wirklich vorstellen können. Wie auch...(?) Was nie endende, fast immerwährende Angst-grundierte Qual bedeutet, ist so wenig vorstellbar wie tiefste Depression oder chronischer Schmerz für jemanden, der dies nicht erlebt (hat). Ich kann glauben, Krebs sei gnädiger, da ein Ende absehbar ist, Wissen werde ich es vermutlich nie.
Erschreckend ist diese Denk-Kombination von "Leid" (wie ich es kenne & "ewig" gleichwohl - erschreckend, wieviele Menschen offenbar entsetzlichen Welt- & Sinnbildern anhängen.
Vielleicht ist grundsätzlich etwas dran an der Energie-These - doch dass ein solcher Mensch irgendwann keine Kraft mehr hat & als einzig mögliche Folge die Folter "auf ewig" & "noch schlimmer" ertragen soll, ist wiederum in meinem Universum unvorstellbar. Wobei es ja bei "Nichterledigung" der Probleme gar unerheblich ist, ob er weitervegetiert oder sich erlöst - die ewige Qual ist ihm sicher. Für mich eine schier ungeheuerliche Weltsicht, denn dies wäre m.E. das denkbar absolut grausamste Daseinskonzept - im Grundprinzip adäquat  dem Höllenbild der grossen Religionen. Inklusive der Qual als "Prüfung", ergo Leid als fundamentaler Existenzzweck. Dies ganze Gebäude gar als natürliche Re-Aktion, quasi Naturgesetz, ist noch unfassbar brutaler als das katholische Weltbild, denn ein denkender Gott könnte theoretisch noch vergeben & erlösen. Ja, es mag ein funktionierender Selbstschutz für latent leidende / zweifelnde menschen sein, aber eben - bis zu einem bestimmten Punkt.
Jenseits dieser Grenze gibt es keine glaubhafte Erklärung mehr. Ich denke, man kann ein kaputtes Leben via intensiver Reflektion mglw. wieder halbwegs gerade biegen, damit leben - unter günstigen Voraussetzungen. Einen fortwährend brennenden Körper nicht. & da versiegt in meinen Augen jeglicher vorstellbare Sinn.

Hier ist man als Atheist oder Ungläubiger ziemlich am Arsch - nun, ich zumindest. & vermutlich jeder, der nicht "im Gegenzug" auf ein sinnerfülltes Leben rückblicken kann.

Was auch immer uns über Jahrtausende zu potenziell grausamen, (selbst)zerstörerischen Wesen gemacht hat, was auch immer ursprünglicher Auslöser dafür war, dass 12-jährige Menschen Maschinenpistolen bedienen, zwangsprostituiert werden oder "einfach" eine ganze Kindheit in Schrecken verbringen: für die Flucht aus einer Hölle mit einer nächsten & schlimmeren bestraft zu werden, kann in meinen Augen in kein spirituelles Weltbild passen, welches auch nur ein Minimum an Barmherzigkeit aufweist. Andernfalls muss es wohl primär einem Zweck dienen: Angst. Ob den Verbreitern dies bewusst ist (?) - ich glaube, den meisten nicht. Die Dreieinigkeit aus Lohn, Strafe & Überfigur scheint global noch immer tief-kollektiv in unseren inneren Welten verankert... & entspricht doch irgendwie exakt den Gefügen, die viele von uns schon als Kinder kannten - ob nun hart & sichtbar oder subtil & umso schwerer zu fassen...





Montag, 16. November 2015

Hoffnung vs. Blindheit

Mein Arzt hat kürzlich geäussert, er hätte noch immer etwas Hoffnung. Es ist mir im Kopf geblieben, doch komme ich nicht umhin, mich wiederholt zu fragen, worauf verdammt sich diese gründen soll…Denn ich bemerke zunehmend bewusster die spätestens seit dem 12. Lebensjahr existente Verständnislücke, das Nicht-Sehen-Können des Ungeheuerlichen. Inklusive irrationaler Hoffnungskrümel wider aller Erfahrung, letztlich aus nichts als abgespaltener kindlicher Naivität - & Angst - gespeist. Nach Dekaden täglichen Schmerzes gibt es keine Logik mehr, die Hoffnung rechtfertigt. Doch ebenso wenig finde ich irgendeine Logik im Akt, den eigenen Geist auszulöschen. Lebender, hungriger Geist vs. gefolterter sterbender Körper, welch brutale Wahl baut sich hier vor mir auf(?)
Ich wundere mich seit seit Jahren, wie & warum ich aushalte - mich im Grunde selbst betrüge, indem ich mich von einem zum nächsten gedachten Abschiedsdatum hangele. & dabei keinem Fortschritt, nicht einmal Stagnation, sondern immer deutlicherem Verfall zusehe - der mir zudem mittlerweile alle Würde raubt.

Evtl. finde ich wenigstens hierauf noch eine Teilantwort…(?):

Wenn ich Bilder aus dem (v.A. Berliner) Osten sehe, erinnere ich mich mitunter an den 6- oder 8- jährigen - & daran, wie viele Dinge mich seinerzeit fasziniert haben. Technik, Musik, Natur - evtl. etwas Asperger-geprägt (da weit mehr sensorisch als emotional), doch intensiv, hellwach & ohne grundlose/n Angst oder Schmerz. Diese geistige Faszination ist bis heute vorhanden, nur kann ich nicht mehr ansatzweise adäquat darauf reagieren. Im Dauerzustand: nicht primär lebensverneinend, trotzdem völlig lebensunfähig (geworden). 
Die Antwort darauf lautet m.E.: egal, was ich in den letzten 35 Jahren rational analysiert & erkannt habe, ist mir das Wesentliche verborgen geblieben - alles emotionale Verständnis = echtes Selbst-Erkennen ist schlichtweg "stehengeblieben". Es agiert noch immer nach einer Logik, als wäre ich nur kurz krank geworden & erwartet, selbstverständlich baldigst wieder gesund zu sein. Dieses Verständnis hat offenbar die letzte Erfahrung vor der "grossen Hölle" abgespeichert: Angst > Schmerz > Beruhigung / Befriedung - & hat die Chronifizierung "verpasst", weil chemisch blockiert.
Ich denke, dies ist ein wesentlicher Teil meiner inneren Mauer, Ambivalenz & Verwirrung - jenes emotionale Verstehen steht in keinem ggs. Austausch (mehr) mit dem geistigen. & ist so das Verbrechen der Medikation an der Psyche. Das empfindende Wahrnehmen / Verständnis ist schlicht nicht in der Lage zu erkennen, dass ich nicht mehr gesund werde (oder kann umgekehrt nicht gesunden, da die Chronifizierung nicht erkannt wird).
Hier wird mglw. zur Falle, was uns eigentlich als Menschen einzigartig macht: Das jeweils autarke Funktionieren des Kopf - & "Bauch"hirns. Das Denken hat offenbar nur sehr begrenzten Einfluss auf das Fühlen, das Begreifen vernichtender Aspekte der Geschichte lindert nicht das tägliche Gefühl inneren Verbrennens.

Dass ich dies überhaupt schreiben kann, ist extrem seltenen Augenblicken zu verdanken, in denen ich einen gefühlten Blick zurück bekomme - bspw. in das Grauen, welches allein die jahrelangen Psychiatriebesuche hinterlassen hat; das kalte, leere Klinikgelände, hohe Mauern, Schreie, Blicke, extreme Gerüche & das unbenannte Gefühl, das dort Unmenschliches geschieht. Plus der strafende Charakter; der Umstand, nicht länger als Mensch angesehen zu werden, dem man ein Minimum an Rechten & Würde zugesteht.
Doch sind dies winzige Minuten in einer endlosen Zeit - sollten solche - durchaus wichtigen - Erkenntnisse wirklich heilsam sein, müsste ich wohl 500 Jahre veranschlagen.

Mir ist klar, dass es sich liest, als würde ich über zwei Personen schreiben - & irgendwie ist es auch so. Dies als Folge einer "Privat-Psychiatrisierung" mit fast allen der möglichen Zwangskomponenten ist m.E. ein ungeheuerliches Verbrechen gegen alle Menschlichkeit.
Worauf sollte ich noch hoffen? Gegen die körperliche Qual bleibt alles wirkungslos - ich bin mttlw. überzeugt, dass sich partiell alles gegenseitig bedingt, nur fehlt auch hier jede klare, gefühlte Verbindung. Es bleibt mir letztlich nur die Hoffnung, dass sich rationales & emotionales Begreifen irgendwann so decken, dass auch letzteres die Tatsachen akzeptieren & ich weitgehend angstfrei loslassen kann.

D. schrieb vor einigen Tagen, Hoffnung sei die grösste Geissel der Menschheit. Ganz so entschieden hätte ich es wohl nie ausgedrückt, doch aus bestimmten Betrachtungswinkeln stimmt es sicher - wenn das undefinierbare "etwas in uns" Un(be)greibares nicht wahrhaben will, trotzdem wider aller Logik oder Erfahrungen instinktiv weiter hofft. Weil wir wohl geboren wurden, um leben zu wollen, weil uns elementares Wissen fehlt, welche Kraft das Leben-Können bis hautnah an unseren Kern zu zerstören vermag. Bis nur noch in Blindheit genährte Fünkchen übrig sind.





Freitag, 16. Oktober 2015

Mr. Ambivalent - oder so ähnlich...


Als wenn der Zufall mich "strafen" wollte - ich schreibe über vergangene Illusionen & just im Moment, da ich den Post veröffentliche, läuft mir eine Doku über Kurt Cobain & ein Konzert der Pixies vor den Monitor. Nicht irgendeine Musik, sondern Songs mit Erinnerung an verrückte Zeiten - inklusive Tonnen naiver Rastlosigkeit. Mein erster Traumjob im Plattenladen, die Clubs im P-Berg, Wein aus dem Tetrapack in Michas Punkbude, ein gelber, verbeulter Passat einer unglaublich sinnlichen Frau, Frauen überhaupt & meine notorische Untreue, die erste Gesangsaufnahme mit Herrn Istschenko &&&. Eine heute auch verdammt traurige Kompakterinnerung; 1992 dominierten noch kraftvolle Bilder jenes Heute, trotz schon jahrelanger verwirrender Panikzustände - der Glauben, dass "irgendwie" alles gut würde, ich alles bewältigen & erreichen könnte. Unvorstellbar, dass ich je die grossen Träume aufgeben müsste... Jepp, für mich spezielle Musik. Auch wenn ich nie diese unbändige Agressivität in die Songs bringen konnte (oder wollte?) - manchmal vielleicht einen Hauch davon auf die Bühne, ist mir das Schicksal von Mr. Cobain irgendwie nah. Ich glaube nicht an tiefere Bedeutungen, doch bei meinem ersten, eigentlich im Wahrstsinne todsicheren Versuch war ich 27, der zweite - sehr dilletantische - fand an einem 8. April statt - ohne dass mir die Analogie bewusst gewesen wäre. & wenn ich ehrlich zu meinem Spiegelbild bin, muss ich zugeben, nicht selten so etwas wie Neid zu verspüren - so als bräuchte ich irgendeine Form oder Bestätigung zumindest postmortaler Berühmtheit, um in innerem Frieden gehen zu können. Als müsste noch etwas Bedeutendes geschehen...Auch wenn mir klar ist, wie dämlich… Nun, das kleine Kind will es wohl nicht "einsehen", anonym & "umsonst" gelebt zu haben. Es gab gar Momente des Bildes, mich am Ende eines Konzertes auf der Bühne öffentlich zu erschiessen. Zum Glück blieb es eine kurzzeitige Extrem-Phantasie, geboren in zynischer Verzweiflung, dem Leben eine zweite Chance geben zu wollen & täglich das Gegenteil zu fühlen. Heute lehne ich es definitiv ab, andere bewusst in das eigene Leid hineinziehen; auch das ein Grund, weshalb ich vehement eine Liberalisierung der Sterbehilfe befürworte & die geplante weitere Kriminalisierung in DE schlicht als grausam & entwürdigend empfinde.
Das Gefühl der Trauer bleibt, sobald ich ein Konzert sehe - der narzisstische Teil von mir sieht meinen Platz noch immer "da oben", bejubelt für den Krach, den ich veranstalte. Hätte ich den berühmten einen Wunsch frei - die Chance, einen Pakt zu schliessen, gäbe es keine Frage: ein Jahr lang gesund mit Band, Orchester & rollendem Studio die schönen Orte der Welt streifen - in sehr langsamem Tempo - & dann (so ich bilde mir ein - mit Freude) den Löffel weiterreichen.

Denn...das alles mag nach spinnertem Gequatsche klingen, aber es ist, wie schon im letzten Post angedeutet: Es gibt viele grauenvolle, unverständliche Dinge auf der Welt, & doch gibt es so vieles, das mich "theoretisch" fasziniert. Es existiert für mich im Jetzt kein äusserer Grund wie Krieg, Hunger, Unterdrückung, der Menschen in Akutsituationen über das Sterben nachdenken lässt. Es existiert das ungreibar Endlose. Grauen. Schmerz. & das Gefühl, es stünde mir zu, wenigstens eine begrenzte Zeit davon befreit zu atmen.
Ich war nie "klassisch" depressiv, das Leben ablehnend - alle Gedanken an den Freitod stammen aus dem Umstand, im Ø 80 % meiner Lebenszeit von latenten bis unerträglichen Kopfschmerzen, Albträumen & namenloser Angst-Folter gequält zu werden...was all das Schöne vor der Haustür (das global betrachtet eine verdammt privilegierte Welt darstellt) zu Unerreichbarem mutieren lässt. Mich wie einen Tetraplegiker vor dem vollen Teller verhungern lässt.

Vorgestern habe ich mich nach langer Zeit an einen Track gesetzt: keine Kraft zu singen, keine Kraft, via Gitarre oder Synth Töne zu erschaffen, einfach nichts. Musik ohne Leidenschaft ist tot, sinnlos. Dass sie nach wie vor in meinem Kopf erklingt, es jedoch nicht in die Realität schafft, hinterlässt trotz mttlw. irgendwie pragmatischem Verstehens des "Warum" immer wieder Ohnmacht, verhasste Resignation. Zudem hindert mich dieses Gefühl, nie gelebt zu haben - & nie leben zu können - am Loslassen, auch wenn es ambivalent erscheint. Vermutlich fordert "irgendetwas" in unserem (oft verletzt-kindlichen) ICH das biologisch verankerte Recht auf Leben ein, erwartet Güte & Liebe sowie ein Ende des Schmerzes im lebendigen Zustand. Das Eintreten von "Richtigkeit" des Daseins vor dem Tod.
Wahrscheinlich ist der "Hilfeschrei-Suizidversuch" (der mir nie in den Sinn kam, weil nie an Hilfe geglaubt) oder ein Ausrasten v.A. junger Menschen genau so zu sehen: ein verwundetes Wesen schreit "Macht dem (unerträglichen IST) ein Ende, kümmert Euch endlich um mich…" - mit dem radikalsten aller Mittel. & was geschieht? Schon Ottonormalo hat oft nur belächelnde, abwertende Urteile übrig - & im schlimmsten Fall führt der Weg in die Psychiatrie. Wo statt Zuwendung & Verständnis allzu häufig wieder Haft / Isolation, Demütigung & Gewalt warten. Mglw. ist die Psychochemie - das gewaltsame Eindringen giftiger Substanzen in den Körper, das Bewusstsein & Unbewusste - die langfristig verheerendste, weil irreversibelste Art von Unterdrückung menschlicher Lebendigkeit. Einzigartig (& nur atomarer Verstrahlung vglw. "ebenbürtig"), da sie alles Fühlen sowie andere Formen von Gewalt wirkungsvoll zu verschleiern vermag, unsichtbar & extrem langsam tötet. Aber das ist ein anderes, komplexes Thema - das einen eigenen Post "verdient".





Dienstag, 29. September 2015

Illusionen


Wann eigentlich ist mir das erste Mal leise bewusst geworden, dass ich mein gesamtes Leben in Illusionen verbracht habe? Es ist wohl noch nicht lang her - & es ist keine Knall der Erkenntnis sondern ein Langsamst-Prozess, der alles raubt, woran man zu glauben glaubt. & der (mich) nicht befreit - im Gegenteil die Welt auf ein klaustrophobisches Nichts verengt. Ent-Täuschung kann sicher oftmals "erleuchtend" sein, einen Menschen die ureigenste Realität als mglw. sehr schmerzhaft, aber wahr erkennen lassen. Nicht so, wenn eine Zerstörung als Folge der Täuschung irreversibel ist, die letztere als solche erkannt wird, doch die Wahrheit dahinter verborgen bleibt.
Geahnt habe ich es oft: 
- mit Anfang 20, als ich mich - vom DDR-Wahn erlöst - frei glaubte & nicht verstand, weshalb mich trotzdem panische Ängste einholten, ich mich noch immer "irgendwie anders", aussenstehend fühlte - obgleich ich mitten drin war im Pulk derer, die unsere neue Freiheit in jeder Sekunde feierten. Exzessiv, verrückt, laut, anarchisch, gemocht. - & doch voller Momente des Horrors...Wann?
- die Jahre, in denen die Kopfschmerzen zunahmen, sich unbegreiflich chronifizierten, sodass ich kaum noch ein paar Drink kippen konnte, ohne nach wenigen Stunden Schlaf vom Schmerz gefoltert zu werden…
- der erste Totalabsturz 96 - zwei Wochen in panischem Dauerherzrasen, am Ende mehrere Monate Psychiatrie & ein gescheiterter Suizidversuch…
- die Zeit mit WoodenSoldiers, getrieben von ultimativer Bühnensucht und - angst - der alte, mittlerweile. widersprüchliche Traum vom Rockstar, der plötzlich so etwas wie Substanz hatte; Substanz, die ich trotzdem nie wieder verlieren wollte...
- die Jahre der exzessiven Sexparties, in denen ich mich mit XY durch halb Berlin gevögelt habe, so dass ich nach einem langen WE manchmal nicht mehr wusste, wie viele Frauen es waren? Natürlich habe ich irgendwann gespürt, dass eine Leere bleibt, doch es hat ´ne Weile lang ganz gut als Betäubung funktioniert...
- mein Weggang aus Berlin, der nicht die erhoffte Befreiung in der Friedlichkeit ländlicher Umgebung brachte…
- last but - meine Tage der Musik zu widmen, im eigenen Studio - die vermeintliche Erfüllung eines viele Jahre geträumten Traumes. Die Erkenntnis, dass selbst hier, wo meine grössten Talente warteten, die Leidenschaft in einem inneren Kerker voller Folterinstrumente versinkt, hat mir wohl den Rest gegeben. Was bleibt? Nichts.

Wo ist der Unterschied zwischen Wünschen, Träumen & Illusionen? Oft vielleicht gar nicht erkennbar, wenn es lebbar ist & dem Dasein Erfüllung, vllt. sogar Glück bringt. "Auffliegen" wird es wohl nur, wenn "man" alles versucht, mit dem Handeln & Können ein Stück Zufriedenheit zu erlangen & Mal um´s Mal scheitert. Nicht wissend, warum - nur ahnend, dass man gegen eine unerbittliche Macht ankämpft. In Wahrheit beneide ich alle Menschen, die Schmerz mglw. ein Leben lang mit irgendetwas erfolgreich betäuben oder wirksam lindern können. Wenn das alles nicht mehr hilft, wird´s bitter & verzweifelt. Ohnmächtig.
Wenn ich versuche, mich rückzuerinnern: schon mit sechs Jahren habe in Bildern der Illusion gelebt. Habe mich wie Chris Norman auf Bühnen gesehen, von der (im Grunde anonymen) Welt bewundert & geliebt - Sehnsucht nach echter Liebe von meinen Eltern ward wohl schon unvorstellbar & zu gefährlich. Später folgten Udo L., Neil Young, & natürlich Robert Smith, der Punk, Kurt Cobain. &&&. Musik & Sex als wichtigstes Elexier.
Dass Erkenntnis Heilung brächte, ist eine schöne Vorstellung - & oft scheint es tatsächlich so zu sein. Was muss geschehen (sein), wenn weder Betäubung noch extrem schmerzhafte Wahrheiten eine unbenennbare Qual zu lindern vermögen (?). Heute weiss ich, dass ich wirkliche Liebe niemals empfunden habe, keinerlei echte Vorstellung des Gefühls habe. Gebracht hat mir die Erkenntnis bislang lediglich, dass ich den sinnlos-unstillbaren Drang nach Zuneigung & Bewunderung aufgegeben habe & noch ein paar Kilometer tiefer in Angst, Depression & Lebenszweifel gefallen bin.

Es gäbe viele Gründe, zu leben - die Idylle, in der ich lebe; Musik, die ich machen, Bücher, die ich schreiben könnte; durch die wundervollen Alpen wandern; die Schweiz per Bahn; England & Skandinavien sehen; das Mittelmeer nur einen Tagestrip entfernt. Mir geht´s finanziell vglw. gut - ein alter Camper, ´ne gemütliche Wohnung mit Garten, Musiker finden... all das wäre machbar. Wenn, hätte, wäre, könnte, würde - ich weiss.
& es gibt nur einen Grund, es nicht länger zu ertragen - der alle anderen überschattet. Egal, wie ich versuche, dagegen anzukämpfen oder mich damit zu arrangieren. Was nutzt alle Schönheit, die ich sehen, aber niemals fühlen kann? Wenn alles von nicht fassbarem Horror vergiftet wird? 
Ich glaube nicht, dass es jemals greifbar sein wird. Erst recht nicht, dass der Geist sich noch immer Träumen - oder Illusionen - hingeben will, der Körper hingegen es manchmal kaum vom Bett zur Kaffeemaschine schafft. Nicht (be)greifbar. Gar nicht.